Schnelle Informationen: Der Arzt in der Insolvenz

Arzt und Insolvenz – undenkbar? Weder die Insolvenz eines Arztes/Zahnarzte noch Angehöriger von Heilberufen ist „undenkbar“. Sie kommen vor und das häufiger als man glauben mag.

Ursachenforschung

Die Ursachen, weshalb eine Arztpraxis in die Krise gerät, sind genauso vielfältig wie bei einem Unternehmen:

• Die Standortanalyse war mangelhaft oder hat gar nicht stattgefunden,
• die Finanzplanung stand von Anfang an auf wackeligen Füßen und
• neben der Tätigkeit als Arzt blieb die Beobachtung der wirtschaftlichen Entwicklung glatt auf der Strecke.

Meist fangen die Probleme jedoch schon bei der Praxisgründung bzw. der Übernahme einer bereits bestehenden Praxis an.  So werden die Haftungsrisiken für vorhandene Altverbindlichkeiten bei Eintritt in eine Gemeinschaftspraxis außer Acht gelassen oder sie bleiben gar unerkannt und werden zu einem späteren Zeitpunkt zur Stolperfalle.

Beim Kauf einer Einzelpraxis wird dagegen der sich letztendlich als nicht finanzierbar herausstellende Kaufpreis auf Dauer zum Problem.  Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Faktoren, die für eine wirtschaftliche Schieflage ursächlich sein können.  Ist die Arztpraxis erst einmal in die Krise geraten, bleibt meist nicht mehr allzu viel Zeit, um zu entscheiden, wie es weitergehen soll. Ob die Fortführung der Praxis noch sinnvoll ist, hängt in erster Linie davon ab, ob noch Aussicht besteht, sie zu sanieren.

Im Rahmen der Prüfung der Sanierungsfähigkeit ist eine Wirtschaftlichkeitsprüfung aufzustellen. Dabei sind die Einnahmen und das Vermögen der Summe der Verbindlichkeiten aus der Praxis und dem privaten Bereich gegenüberzustellen. Dies lässt sich über einen Zeitraum von 12 bis 24 Monaten hochrechnen, sodass sich die Liquiditätsentwicklung ablesen lässt. Danach richtet sich nämlich, ob und in-wieweit sich genügend Handlungsspielraum ergibt. Dies ist insbesondere für finanzierende Banken ein wesentliches Kriterium.

Ergibt die Wirtschaftlichkeitsprüfung allerdings, dass es unter den gegebenen Voraussetzungen nicht sinnvoll erscheint, die Praxis fortzuführen, bleibt nur noch der Versuch, mit den Gläubigern einen außer-gerichtlichen Sanierungsversuch zu schließen. Dieser ist meist vorteilhafter, da er in der Regel schneller abzuwickeln ist als ein sich nach wie vor über Jahre ziehendes Insolvenzverfahren mit anschließender Restschuldbefreiung.

Ziel einer außergerichtlichen Sanierung ist ein Vergleich mit sämtlichen Gläubigern.  Freilich muss den Gläubigern dabei eine Summe angeboten werden, die für sie „interessant“ ist.

Liegt nun die im Raum stehende Vergleichssumme genauso hoch oder gar noch höher, steigert dies die Bereitschaft der Gläubiger, sich auf einen außergerichtlichen Vergleich einzulassen. Der Vergleich kann in Form der Zahlung eines Einmalbetrages oder in Raten geschehen, wobei die Dauer der Ratenzahlung nicht länger als das Insolvenzverfahren sein sollte. Erklären sich die Gläubiger mit dem Sanierungsvorschlag einverstanden, verzichten die Gläubiger damit nach Erfüllung des Vergleichs auf die Restforderung. Einen neuen Kredit zum Aufbringen der Vergleichssumme gewährt die Bank in der Regel schon deshalb nicht, weil es an den dafür notwendigen Sicherheiten fehlt. Scheitern die Vergleichsverhandlungen, bleibt als letzte Möglichkeit noch der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Insolvent – was bedeutet das nun?

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Freiberufler insolvent? – Und welche Konsequenzen hat dies für ihn?

Ein „Vorteil“ eines Insolvenzverfahrens ist sicherlich darin zu sehen, dass der „Wettlauf“ der Gläubiger um die Einkünfte des zahlungsunfähigen Freiberuflers nun endlich ein Ende hat. Den Gläubigern wird m Eröffnungsverfahren – also noch bevor über den Insolvenzantrag eine Entscheidung gefallen ist, in der Regel der Zugriff auf das ggf. noch vorhandene Vermögen verwehrt. Schließlich ist es das erklärte Ziel des Insolvenzverfahrens, sämtliche Gläubiger gleichermaßen zu befriedigen.

Und eines sollte nicht vergessen werden: Mit der Abwicklung des Insolvenzverfahrens ist nun endlich „Licht am Ende des Tunnels“. Mit anderen Worten: Es ist ein Ende der prekären Situation in Sicht, auch wenn die Jahre dazwischen noch einmal hart sein mögen. Ein Insolvenzverfahren eröffnet darüber hinaus die Möglichkeit, ein (gerichtliches) Sanierungsverfahren in die Wege zu leiten. Die Insolvenz bedeutet deshalb nicht zwangsläufig das „Aus“ für die freiberufliche Tätigkeit. Vielmehr ist sie die Chance, den „Reset“-Knopf zu drücken und noch einmal – und diesmal unter besseren Vorzeichen – von vorne zu beginnen.

Von namhaften Unternehmen hört man immer wieder in der Presse, dass sie zahlungsunfähig sind. An welche Voraussetzungen ist diese geknüpft?

Als Insolvenzgründe kommen grundsätzlich die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO, die drohende Zahlungsunfähigkeit sowie die Überschuldung gemäß § 19 InsO in Betracht. Die Überschuldung können wir zunächst einmal außen vor lassen, denn die Insolvenzantragspflicht aufgrund von Überschuldung betrifft lediglich juristische Personen, sodass sie für den Arzt als natürliche Person nicht relevant ist.

Von Zahlungsunfähigkeit ist nach höchst-richterlicher Rechtsprechung dann die Re-de, wenn der Schuldner nicht mehr in der Lage ist, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies präzisiert und betrachtet als zahlungsunfähig, wer

• über einen Zeitraum von 3 Wochen
• mindestens 10 % seiner fälligen Verbindlichkeiten nicht begleichen kann.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn die genannten Kriterien noch nicht eingetreten sind. Dann kann jedoch sehr wohl eine bloße Zahlungsstockung vor-liegen. D. h., dem Arzt gelingt es, sich binnen der Drei-Wochen-Frist die notwendigen liquiden Mittel zu verschaffen, um die fälligen Rechnungen zu bezahlen.

Von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ist folglich auszugehen, wenn der Arzt voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen im Zeitpunkt der Fälligkeit zu begleichen, § 18 Absatz 2 InsO.

Grundsätzlich richtet sich die Fälligkeit einer Forderung nach den allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), d. h., sie ist von der Art des Vertrages abhängig und kann daher variieren. Eine gesetzliche Pflicht, einen Insolvenzantrag zu stellen, besteht lediglich für Kapitalgesellschaften bzw. Personengesellschaften, bei denen keine natürliche Person mit ihrem Vermögen haftet.

Welche Verfahrensart ist die Richtige?

„Das“ Insolvenzverfahren gibt es nicht. Vielmehr existieren unterschiedliche Verfahrensarten, die jeweils auf die Bedürfnisse der Betroffenen abgestimmt sind.

Zunächst einmal ist zwischen dem Regel-verfahren und dem Verbraucherinsolvenzverfahren zu differenzieren. Die Vorschriften des Regelinsolvenzverfahrens sind für Personen einschlägig, welche über Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit verfügen (also in erster Linie Freiberufler, Gewerbetreibende etc.) sowie für ehemalige Selbstständige, welche mehr als 20 Gläubiger haben oder Verbindlichkeiten aus Arbeitsverhältnissen bestehen.

Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist sozusagen das „Auffangbecken“, es ist für Arbeitnehmer, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, Rentner etc., kurzum für alle Personen einschlägig, die nicht von der oben genannten Gruppe erfasst werden. Vom Ergebnis her gesehen, ist es gleich-gültig, welches Verfahren durchlaufen wird: Am Ende steht immer die Restschuldbefreiung, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Allerdings sind die Abläufe der Verfahren unterschiedlich.

Das Regelinsolvenzverfahren

Selbstständige Ärzte müssen danach das Regelinsolvenzverfahren durchlaufen. Sinn und Zweck jedes Insolvenzverfahrens ist es, alle Gläubiger gleichermaßen zu befriedigen. Dies lässt sich nur dadurch erreichen, dass das Vermögen des Schuldners – soweit überhaupt welches vorhanden ist – verwertet wird. Der sich daraus ergebende Erlös wird dann anteilig unter den Gläubigern verteilt. Für eine vollständige Befriedigung reicht es nicht, denn sonst wäre das Insolvenzverfahren ja überflüssig.

Alternativ kommt eine Sanierung im Wege eines Insolvenzplans in Betracht. Eher für Unternehmen ist der Verkauf interessant, durch dessen Erlös die Gläubiger teilweise befriedigt werden.

Ohne Antrag geht es nicht

Sowohl die Gläubiger des Arztes als auch der Arzt selbst kann den Insolvenzantrag stellen. Gläubiger müssen ein rechtliches Interesse an der Eröffnung des Verfahrens haben und neben der Forderung auch den Eröffnungsgrund glaubhaft darlegen. In der Regel kommt das Verfahren durch einen Antrag des betroffenen Arztes in Gang. Die notwendigen Antragsformulare gibt es im Internet bei dem für das Insolvenz-verfahren zuständigen Amtsgericht. Solange das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet worden ist, kann der Antrag noch zurückgenommen werden.

Dem Antrag ist ein Vermögensverzeichnis beizufügen, das eine Übersicht über die Vermögenslage des Antragstellers zu-lässt. Es weiteren ist ein Gläubiger- und Schuldnerverzeichnis beizufügen. Hierin sind alle Gläubiger und Schuldner ein-schließlich der Anschrift anzugeben. Zu jeder Forderung ist neben der Forderungshöhe der Schuldgrund (also beispielsweise „Miete“) zu benennen.
Zudem ist anzugeben, ob durch Dritte Ansprüche geltend gemacht werden.

Der Verfahrensablauf

Ist der Antrag erst einmal eingereicht, hält ab sofort das Insolvenzgericht die Fäden in der Hand. Bis es durch Beschluss darüber entscheidet, ob das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder nicht, muss es erst einmal alles unternehmen, um zu verhindern, dass durch Handlungen des Antragstellers sich die Vermögenslage zulasten der Gläubiger verschlechtert.

Hierzu gehört insbesondere:

• die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
• das Verhängen eines allgemeinen Verfügungsverbots und die Anordnung, dass Verfügungen des Schuldners von der Zustimmung des

vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig sind.

Für den insolventen Freiberufler ist es jedoch wesentlich wichtiger, dass es den Gläubigern untersagt wird, weiterhin Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. In Ausnahmefällen kann zudem eine Postsperre verhängt werden. D. h., die Post wird dann dem Insolvenzverwalter übermittelt. Diese Maßnahme ist manchmal unumgänglich, um Rechtshandlungen zum Nachteil der Gläubiger aufzudecken bzw. zu verhindern.

Ist ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden, gehört es zu seinen Aufgaben, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten.
Das hat weitreichende Folgen für den Betroffenen. Der Insolvenzverwalter hat mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht, über das gesamte Vermögen des Schuldners zu verfügen. D. h., auch das Privatvermögen zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ist davon betroffen!  Neben der Praxiseinrichtung, sofern diese nicht geleast oder zur Sicherheit an die Bank abgetreten oder unter Eigentumsvorbehalt geliefert worden ist, gehören beispielsweise auch die privat genutzte Immobilie, Anlageobjekte, Wertpapiere, Aktien, Schmuck, Antiquitäten, die Segeljacht usw. nun zur Insolvenzmasse. Es gibt also keine Möglichkeit, das Privatvermögen oder Teile davon vor dem Zugriff der Gläubiger zu „retten“.

Ausgenommen sind lediglich solche Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen. Was unpfändbar ist, regelt die Vorschrift des § 811 ZPO ausdrücklich. Der Insolvenzverwalter wird auch eine Entscheidung darüber fällen, ob er die Arztpraxis mit Zustimmung des Insolvenzgerichts „dicht“ macht oder sie fortführt.

Eröffnungsbeschluss

Hat das Gericht alle Unterlagen gesichtet, kommen folgende Entscheidungen in Betracht:

• Es fehlt an einem Eröffnungstatbestand (z. B. drohende Zahlungsunfähigkeit), weshalb der Insolvenzantrag abgewiesen wird.
• Die Kosten des Verfahrens sind höher als die Insolvenzmasse. Mangels Masse wird der Insolvenzantrag abgewiesen.
• Das Insolvenzverfahren wird eröffnet.

Weist das Insolvenzgericht den Antrag als unbegründet ab, müssen Sie als Antragsteller die Kosten des Verfahrens tragen.
Wird der Antrag mangels Masse abgewiesen, führt dies bei „natürlichen“ Personen (gemeint ist das Gegenteil von „juristischen“ Personen) gemäß § 26 Absatz 2 InsO zu einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis. Diese Eintragung wird erst nach fünf Jahren wieder gelöscht. Der Eintrag kann von jedermann durch Einsicht in das Gemeinsame Vollstreckungsportal der Länder unter www.vollstreckungsportal.de in Erfahrung gebracht werden.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt im Wege eines Insolvenzeröffnungsbeschlusses. Hierin ist der Zeitpunkt der Eröffnung angegeben und der Insolvenzverwalter festgelegt.

Zugleich erhalten die Gläubiger die Aufforderung, ihre Forderungen innerhalb der vom Gericht festgesetzten Frist bei Insolvenzverwalter anzumelden. Außerdem werden die Gläubiger aufgefordert mitzuteilen, ob Sicherungsrechte bestehen.

Berichts- und Prüfungstermin

Der Berichtstermin und der Prüfungstermin dienen in erster Linie dazu, die Situation des schuldnerischen Unternehmens bzw. des Freiberuflers darzustellen. Jetzt wird es also Ernst: Es muss nun eine Entscheidung darüber fallen, ob das „Unternehmen“ Arztpraxis liquidiert wird oder, ob noch eine Chance besteht, die Praxis bzw. sofern Teilbereiche daraus abspaltbar sind, (beispielsweise Praxis und Labor) erhalten werden können. In diesem Zusammenhang wird auch geprüft, ob eine Möglichkeit für die Erstellung eines Insolvenzplans oder ggf. eine übertragende Sanierung besteht.

Zu den wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters gehört es freilich, die von den Gläubigern angemeldeten Forderungen dem Grund und der Höhe nach zu prüfen. Der Berichts- und der Prüfungstermin können zusammengelegt werden, sofern dies sinnvoll erscheint. Der Berichtstermin kann sogar ganz entfallen, wenn die Anzahl der Gläubiger einigermaßen überschaubar ist und / oder die Verbindlichkeiten nicht besonders hoch sind.

Sowohl der Eröffnungsbeschluss als auch der Beschluss, den Antrag mangels Masse abzuweisen, müssen öffentlich bekannt gegeben werden. Es ist damit für jedermann ersichtlich, dass über das Vermögen des Arztes das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Die öffentliche Bekanntgabe erfolgt seit geraumer Zeit im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de.

Die Restschuldbefreiung

Wer in die Insolvenz geht, der will eines erreichen: einen Schlussstrich unter die Vergangenheit setzen und einen wirtschaftlichen Neuanfang wagen.

Diese Möglichkeit eröffnet die Insolvenzordnung im Wege der Restschuldbefreiung. Ohne entsprechenden Antrag beim Insolvenzgericht geht es freilich auch hier nicht. Natürliche Personen werden auf die Möglichkeit der Restschuldbefreiung und die Notwendigkeit eines entsprechenden Antrags bereits im Eröffnungsverfahren nach Zulassung des Insolvenzantrags hingewiesen.

Der Antrag auf Restschuldbefreiung ist an eine Abtretungserklärung gekoppelt. Mit der Abtretungserklärung verpflichtet sich der Schuldner, für die Dauer von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den pfändbaren Teil seines Arbeitseinkommens bzw. Ersatzbezügen an den Treuhänder abzutreten, um damit die Insolvenzgläubiger zu befriedigen. Die Abtretung entfaltet mit dem Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung ihre Wirkung.

Diese Regelung ist allerdings nur für Ein-kommen aus abhängiger Beschäftigung, nicht jedoch aus selbstständiger Tätigkeit einschlägig.  Hält das Insolvenzgericht den Antrag auf Restschuldbefreiung nach einer Eingangsprüfung für zulässig, stellt das Gericht anders, als dies früher der Fall war, bereits zu diesem Zeitpunkt durch Beschluss fest, dass der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen wird, vorausgesetzt

• er kommt seinen Erwerbsobliegenheiten nach und
• es liegen keine Gründe für die Versagung der Restschuldbefreiung gemäß den §§ 290, 297 und 298 InsO vor.

Gläubiger müssen für ihren Versagungsantrag nicht mehr bis zu Schluss warten, sondern können die Gründe für ein Versa-gen der Restschuldbefreiung jederzeit bis zum Schlusstermin schriftlich stellen.  Zum Abschluss des Verfahrens ist vom Insolvenzgericht zu prüfen, ob der Schuldner allen während der Wohlverhaltensphase bestehenden Obliegenheiten, also ins-besondere der Erwerbsobliegenheit, nach-gekommen ist. Ist von einem Gläubiger ein zulässiger und begründeter Versagungsantrag gestellt worden, ist die Restschuldbefreiung zu versagen.

Seit der Insolvenzrechtsreform kann die Restschuldbefreiung selbst nachträglich versagt werden, wenn ein Gläubiger erst nach dem Schlusstermin vom Vorliegen eines Versagungsgrundes Kenntnis erlangt. Er kann sich 6 Monate Zeit lassen, um den Antrag nach dem Bekanntwerden des Versagungsgrundes zu stellen. Es reicht dabei aus, wenn er die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Versagungsgrundes glaubhaft macht, § 297a InsO.

Selbst ein Widerruf der Restschuldbefreiung ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich, wenn

• sich nachträglich herausstellt, dass der Schuldner vorsätzlich seinen Obliegenheiten nicht nachgekommen ist und hierdurch die Insolvenz-gläubiger erheblich schlechter gestellt sind,
• feststeht, dass der Schuldner – während die Abtretungsfrist läuft oder nach der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung – aufgrund einer der in § 297 InsO genannten Straftaten verurteilt worden ist.
• Der Schuldner trotz der vorzeitigen Erteilung der Restschuldbefreiung seinen ihm auferlegten Auskunfts- und Mitwirkungspflichten im fort-dauernden Insolvenzverfahren nicht nachkommt.

Gläubiger können einen Antrag auf Widerruf der Restschuldbefreiung innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung stellen, § 303 Abs. 2 S. 1 InsO.

Was wird aus dem Personal?

Ärzte/Zahnärzte oder Angehörige von Heil-berufen sind in der Regel zugleich Arbeitgeber. Sowohl auf der Seite der Arbeitnehmer als auch des insolventen Arztes wirft dies die Frage auf, was nun mit den bestehenden Arbeitsverhältnissen passiert.

Nachdem die Arbeitsverhältnisse mit dem Praxispersonal trotz Insolvenz des Arztes/Zahnarztes etc. fortbestehen, bedeutet das freilich auch, dass weiterhin die Bei-träge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung zu leisten sind – trotz Insolvenz.  Es bleibt daher oft nichts anderes übrig, als sich von dem Praxispersonal oder zumindest einem Teil davon zu trennen. Auch hier gilt es, einige Besonderheiten zu beachten.

Das Insolvenzgeld – Rettungsanker für die Mitarbeiter

Wenn die Rechnungen der Gläubiger nicht mehr beglichen werden können, bedeutet das für die Mitarbeiter in der Regel eben-falls nichts Gutes. Die Mitarbeiter haben zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung häufig schon über mehrere Monate hinweg ihr Gehalt verspätet, nur zum Teil oder überhaupt nicht mehr bekommen.

Hier hilft das Insolvenzgeld weiter, das von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt wird.  Allerdings muss der Arbeitnehmer hier tätig werden. Das Insolvenzgeld muss bei der Arbeitsagentur beantragt werden, in dessen Bezirk die für seinen Arbeitgeber zu-ständige Lohnabrechnungsstelle liegt. Die notwendigen Formulare dazu können auf der Website der Arbeitsagentur unter www.arbeitsagentur.de unter dem Stichwort „Formulare“ heruntergeladen werden.

Allzu viel Zeit dürfen sich die Arbeitnehmer der insolventen Arztpraxis nicht lassen. Denn es besteht eine Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis, § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III. Als Insolvenzereignis gilt übrigens nicht nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern beispielsweise auch die Einstellung mangels Masse.

Das Insolvenzgeld wird höchstens für die Dauer von drei Monaten vor Eintritt des Insolvenzereignisses bezahlt.

Die Freigabe des Geschäftsbetriebs – Chancen für Freiberufler und Selbstständige

Das Insolvenzverfahren ist eröffnet – war es das nun mit der Tätigkeit als freiberuflich tätiger Arzt/Zahnarzt? Nicht unbedingt. Denn es gibt die Möglichkeit der Freigabe des Geschäftsbetriebs. D. h., dem Schuldner ist es trotz des eröffneten Insolvenzverfahrens möglich, eigen-verantwortlich und selbstständig seine Praxis als Arzt oder Zahnarzt weiterzuführen.

Freigabe bedeutet, dass die Praxis des Arztes oder Zahnarztes aus dem Insolvenzbeschlag entlassen wird. Der Insolvenzschuldner erhält damit die Verfügungsbefugnis über seine Praxis zurück. Er kann daher seine ärztliche bzw. zahn-ärztliche Tätigkeit fortführen. Denn von der Freigabe sind alle Sachen gemäß § 811 ZPO erfasst, welche zur Fortführung der Tätigkeit als Selbst-ständiger notwendig sind. Das betrifft in erster Linie die gesamte Praxisausstattung.

Damit nun Gläubiger diese Gelegenheit nicht nutzen können, um erneut Zugriff auf das Betriebsvermögen des Selbstständigen zu nehmen, wird das freigegebene Betriebsvermögen durch ein Vollstreckungsverbot gemäß § 89 Absatz 1 InsO sowie gemäß § 294 Absatz 1 InsO vor den Zugriffen den Altgläubiger bewahrt.

Freilich hat auch das seinen Preis. Der Insolvenzschuldner ist verpflichtet, den pfändungsfreien Anteil seines Einkommens, das er hypothetisch erzielen könnte, wenn er einer abhängigen Beschäftigung nachginge, über den Insolvenzverwalter an die Insolvenzmasse abzuliefern.
Dieses hypothetisch erzielbare Einkommen ist im Rahmen einer fiktiven Rechnung zu ermitteln. Dabei gilt es zu ermitteln, in welchem Umfang der Schuldner aufgrund seiner Fähigkeiten und Kenntnisse, seiner Ausbildung, seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage ist, einen Arbeitsplatz als festangestellter Arzt oder Zahnarzt zu finden.

Lässt sich in diesem Verfahrensstadium bereits absehen, dass es vermutlich nicht gelingen wird, mit der Praxis die notwendigen Gewinne zu erwirtschaften und an den Insolvenzverwalter abzuführen, bleibt dem Arzt bzw. Zahnarzt nichts anderes übrig, als in ein Angestelltenverhältnis zu wechseln. Zumindest muss er den Versuch unternehmen, sich um eine entsprechende Anstellung eingehend zu bemühen. Das muss er freilich auch nachweisen. Anhand dieses fiktiv ermittelten Einkommens berechnet sich der „pfändbare“ Betrag, der vom Insolvenzschuldner an den Insolvenzverwalter abzuführen ist. Die Beträge sind ab dem Zeitpunkt der Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit jährlich fällig.

Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat Ärzten und Zahnärzten die Freigabe ihrer Tätigkeit zwar nicht schwieriger, aber zumindest komplizierter gemacht.

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.04.2013, IX ZR 165/12, kommt es in der Wohlverhaltensphase, also für die Dauer von maximal sechs Jahren, im Falle einer Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit zu einem Wiederaufleben einer Globalabtretung. Hieraus ergeben sich folgende Konsequenzen: Die finanzierende Bank, zu deren Gunsten die Abtretung erfolgt ist, wird nun wieder versuchen, ihre Ansprüche geltend zu machen. In der Regel umfasst die Abtretung die Auszahlungsansprüche des Arztes oder Zahnarztes gegenüber der Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigung.

Die Geltendmachung der Ansprüche ist allerdings eher theoretischer Natur. Es gibt nämlich eine klare Verteilungsreihenfolge im Hinblick auf die durch die freigegebene Praxis erzielten Einnahmen:

Ganz vorne in der Liste stehen die Kosten für den laufenden Unterhalt der Praxis. An zweiter Stelle steht der – wenn auch bescheidene – Lebensunterhalt des Arztes, denn schließlich muss er und seine Familie auch von etwas leben.

Und schließlich müssen ja auch noch die Zahlungen an den Insolvenzverwalter berücksichtigt werden, die aufgrund der Freigabe der Tätigkeit zu leisten sind. Auf der Einnahmenseite stehen die mit der Freigabe der freiberuflichen Tätigkeit entstehenden Ansprüche aus der Behandlung von Privatpatienten an erster Stelle.

Das heißt nichts anderes, als dass die ursprünglich kreditgebende Bank erst dann mit einer Zahlung aufgrund der wiederauflebenden Abtretung der Ansprüche gegen die Kassenärztliche Vereinigung rechnen kann, wenn die Zahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung im Kalenderjahr unterm Strich höher sind als die Summe aus den oben genannten Zahlungsverpflichtungen abzüglich der Zahlungsansprüche, welche sich aus der Behandlung von Privatpatienten ergeben.

Schweigepflicht und Insolvenz

Wie jeder andere Schuldner ist auch der Arzt im Insolvenzverfahren dazu verpflichtet, dem Insolvenzverwalter sämtliche Vermögensgegenstände offenzulegen. Hierzu gehören freilich auch die noch offenen Forderungen gegen Privatpatienten.
Wie im Beitrag „Gegen Patienten, die nicht zahlen: Rezepte für Ärzte“ ausführlich dar-gestellt, verstößt die Weitergabe von Patientendaten an eine Privatärztliche Verrechnungsstelle gegen die ärztliche Schweigepflicht, sofern der Patient nicht ausdrücklich in die Weitergabe seiner Daten eingewilligt hat.

Auf eine Einwilligung des Patienten kann der Arzt an dieser Stelle freilich nicht hoffen. Das wirft nun die Frage auf, ob die Mitteilung der abrechnungsrelevanten Daten an den Insolvenzverwalter ebenso einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht darstellt?

Gläubigerschutz hat Vorrang

Auch mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof bereits ausführlich auseinandergesetzt. In seinem Beschluss vom 05. Februar 2009, IX ZB 85/08, räumt der Senat dem Gläubigerschutz ausdrücklich den Vorrang vor der ärztlichen Schweigepflicht eingeräumt. Der Anspruch der Patienten auf Schutz ihrer persönlichen Daten muss hier ausnahmsweise hinten anstehen.

Und was wird aus der Zulassung?

Die gute Nachricht zunächst einmal vorneweg: Eine gesetzliche Regelung, wo-nach dem Arzt die Kassenärztliche Zulassung bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu entziehen ist, gibt es nicht.

Auch aus dem Standesrecht ergibt sich nichts Entsprechendes.

Allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arztes wird in der Regel nicht zu einem Entzug der Zulassung führen.
Ausnahmsweise kann zu prüfen sein, ob der mit der Insolvenz verbundene Vermögensverfall derart gravierend ist, dass er als persönliche Unzuverlässigkeit zu werten ist, welche wiederum als schwerwiegender Mangel im Sinne der Zulassungsverordnung zu betrachten ist.
Insoweit steht also der Fortführung der Arztpraxis in der Insolvenz nichts entgegen.

Was wird aus der Altersvorsorge?

In der Regel sind die Leistungen aus der Mitgliedschaft in einem berufsständischen Versorgungswerk weder pfändbar noch abtretbar. Dies regeln die einschlägigen Satzungen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung geht das im Falle einer Beendigung der Zulassung bestehende Wahlrecht zur Aufrechterhaltung einer freiwilligen Mitgliedschaft nicht auf den Insolvenzverwalter über. Dem Insolvenzverwalter ist dadurch der Zugriff auf die bereits erdienten Versorgungsanwartschaften verwehrt.

Für private Rentenversicherungen gilt, dass hier die Pfändungsbeschränkungen des § 851c ZPO greifen.

D. h., die Ansprüche dürfen nur dann wie Arbeitseinkommen gepfändet werden, wenn die in der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllt sind:

• die Leistung in regelmäßigen Zeit-abständen lebenslang und nicht vor Vollendung des 60. Lebensjahres oder nur bei Eintritt der Berufsunfähigkeit gewährt wird,
• über die Ansprüche aus dem Vertrag nicht verfügt werden darf,
• die Bestimmung von Dritten mit Ausnahme von Hinterbliebenen als Berechtigte ausgeschlossen ist und
• die Zahlung einer Kapitalleistung, ausgenommen eine Zahlung für den Todesfall, nicht vereinbart wurde.

Damit der Aufbau einer angemessenen Alterssicherung möglich ist, kann der Schuldner unter Berücksichtigung der Entwicklung auf dem Kapitalmarkt, des Sterblichkeitsrisikos und der Höhe der Pfändungsfreigrenze, nach seinem Lebensalter gestaffelt, jährlich einen bestimmten Betrag unpfändbar bis zu einer Gesamtsumme von 238.000 Euro ansammeln:

• Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr 2.000 Euro,
• vom 30. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr 4.000 Euro,
• vom 40. bis zum vollendeten 47. Lebensjahr 4.500 Euro,
• vom 48. bis zum vollendeten 53. Lebensjahr 6.000 Euro,
• vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr 8.000 Euro und
• vom 60. bis zum vollendeten 65. Lebensjahr 9.000 Euro jährlich an-sammeln.

Übersteigt der Rückkaufwert der Alterssicherung den unpfändbaren Betrag, sind drei Zehntel des überschießenden Betrags unpfändbar. Dies gilt nicht für den Teil des Rückkaufwerts, der den dreifachen Wert des genannten Betrags übersteigt. Anders sieht es hingegen bei einer Lebensversicherung aus. Selbst wenn ein unwiderruflicher Ausschluss des Kündigungsrechts erklärt worden ist, kann der Insolvenzverwalter die Kündigung der pfändbaren Lebensversicherung erklären, womit der Rückkaufswert in die Insolvenzmasse fließt.

Ist ein Kapitalwahlrecht vereinbart worden bewirkt, dass der Pfändungsschutz nach § 851c ZPO entfällt.

Nicht abschließend geklärt ist die Behandlung einer privat abgesicherten Berufsunfähigkeitsversicherung. In der Rechtsprechung wird hierzu teilweise die Auffassung vertreten, dass eine private Berufsunfähigkeitsrente eines Selbstständigen nicht dem Pfändungsschutz des § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unterliege.

Die Insolvenz und die Steuern

Das Problem: Das Insolvenzverfahren verfolgt ein Ziel: die Entschuldung. Die hat freilich eine Kehrseite. Es kommt zwangs-läufig zu Gewinnen aus der Sanierung. Gewinne müssen freilich versteuert wer-den. Der Konflikt mit den Zielen des Insolvenzrechts ist also vorprogrammiert.
Das BMF billigt den Betroffenen im Wege einer Billigkeitsregelung deshalb eine Steuerstundung sowie einen Steuererlass zu (vgl. BMF, Schreiben v. 27.3.2003, BStBl 2003 I S. 240).